Ein Interview mit Dr. Lennart Osthoff, Gründer und Geschäftsführer von Repartly, zum Thema Reparaturkultur, Kreislaufwirtschaft und das neue Recht auf Reparatur
In den letzten Jahren hat das Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft und Reparatur deutlich zugenommen. Die Europäische Union hat mit dem „Recht auf Reparatur“ einen wichtigen Schritt unternommen, um nachhaltigen Konsum zu fördern. Viele Verbraucher*innen wünschen sich langlebige und reparierbare Geräte – doch in der Praxis scheitert es oft an hohen Kosten, fehlenden Ersatzteilen oder mangelndem Wissen. Warum fällt es Unternehmen und Verbraucher*innen schwer, Reparaturen zu priorisieren? Welche Hürden gibt es bei der Umsetzung neuer Regelungen? Und wie kann sich die Industrie nachhaltig wandeln? Darüber sprechen wir mit Dr. Lennart Osthoff, Gründer und Geschäftsführer von Repartly, einem Unternehmen, das sich auf die Bereitstellung und Vermarktung gebrauchter und aufbereiteter Ersatzteile von Haushaltsgeräten spezialisiert hat.
Repartly hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Kreislauf von Ersatzteilen und Geräten zu optimieren. Warum ist die Reparaturbranche so essenziell für eine nachhaltige Zukunft?
Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, in der viele Geräte noch voll funktionsfähig oder mit geringem Aufwand reparierbar wären, aber dennoch entsorgt werden. Das liegt nicht nur an den Konsument*innen, sondern auch an der Industrie. Viele Hersteller gestalten ihre Produkte so, dass sie schwer reparierbar sind oder Ersatzteile nur zu hohen Kosten erhältlich sind. Unsere Mission ist es, diesen Prozess zu verändern, indem wir eine nachhaltige Alternative zum Neukauf bieten. Dadurch reduzieren wir Müll, sparen wertvolle Ressourcen und tragen zur Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks bei.
Darüber hinaus sind Reparaturen nicht nur ein ökologischer, sondern auch ein wirtschaftlicher Vorteil. Verbraucher*innen profitieren langfristig von langlebigeren Geräten und niedrigeren Folgekosten. Die Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist also nicht nur notwendig, sondern bringt auch für alle Beteiligten Vorteile mit sich.
Dr. Lennart Osthoff, Gründer und Geschäftsführer von Repartly
Eine Umfrage aus Ihrem Reparatur-Report zeigt, dass 56 % der Deutschen glauben, dass der Fachhandel eher zum Neukauf als zur Reparatur rät. Wie erklären Sie sich diese Wahrnehmung?
Unser Reparatur-Report 2024 hat gezeigt, dass viele Verbraucher*innen davon ausgehen, dass Fachhändler in erster Linie zum Neukauf raten. Das liegt oft an der Wahrnehmung, dass eine Reparatur komplizierter oder sogar teurer sein könnte als eine Neuanschaffung. Viele Händler empfehlen tatsächlich eher neue Geräte, da Reparaturen in der Vorstellung der Verbraucher*innen mit Unsicherheiten verbunden sind und wirtschaftlich nicht immer rentabel erscheinen.
Dazu kommt, dass die Verfügbarkeit von Ersatzteilen oft begrenzt ist oder die Reparaturprozesse für Fachhändler nicht lukrativ genug sind. Durch unsere Plattform wollen wir genau hier ansetzen: Wir bieten generalüberholte Ersatzteile an und machen Reparaturen einfacher und kostengünstiger. So können wir dazu beitragen, dass sich diese Wahrnehmung verändert und Reparaturen für Verbraucher*innen wieder zur ersten Wahl werden.
Repartly arbeitet mit Recycling-Unternehmen zusammen, um wertvolle Bauteile aus ausrangierten Geräten zu retten. Wie genau funktioniert dieser Prozess, und welche technologischen Innovationen setzen Sie dabei ein?
Über eine App können unsere Recycling-Partner das Typenschild eines Geräts zu scannen, um sofort zu sehen, ob es für Repartly relevant ist. Über die Webseite wird angegeben, welche Bauteile wiederverwendbar sind, sie bietet Ausbauhinweise und druckt Etiketten zur Markierung der Bauteile aus. So schaffen wir ein System, das die Wiederverwertung von Komponenten erleichtert und sicherstellt, dass wertvolle Materialien nicht unnötig im Müll landen.
Zusätzlich setzen wir auf modernste Automatisierungstechnologien in unserem Reparaturprozess. Unsere Werkstätten sind mit hochentwickelten kollaborativen Robotern ausgestattet, die defekte Elektroniken analysieren, kleinste Bauteile identifizieren und diese vollautomatisch austauschen.
Unser intelligentes Kamerasystem überprüft zunächst jede Elektronik auf Anomalien. Brandschäden oder Feuchtigkeitsschäden werden so frühzeitig erkannt, und unsere Algorithmen können in Sekundenschnelle entscheiden, ob eine Reparatur möglich ist und aus dem eingesandten Bauteil eine generalüberholte Elektronik werden kann. So können wir eine schnelle, präzise und kosteneffiziente Instandsetzung ermöglichen.
Wie können Unternehmen und Hersteller besser mitwirken, um Reparaturen zu erleichtern?
Ein entscheidender Faktor ist das Produktdesign. Viele Geräte sind heute so konstruiert, dass Reparaturen unnötig erschwert werden. Beispielsweise sind elektronische Bauteile oft vergossen, was eine Reparatur auf Bauteilebene unmöglich macht – das ist vor allem bei asiatischen Herstellern der Fall. Oder Steuerungen sind an schwer zugänglichen Stellen verbaut, was den Austausch aufwendig und teuer macht.
Es gibt jedoch bereits einige positive Entwicklungen. Manche Hersteller setzen auf modulare Designs, bei denen einzelne Komponenten leicht austauschbar sind. Andere experimentieren mit Materialien und Techniken, die die Reparierbarkeit verbessern. Wir würden uns wünschen, dass solche Ansätze zum Standard werden. Wenn beispielsweise Ersatzteile über viele Jahre hinweg verfügbar bleiben und Reparaturen schon bei der Produktentwicklung mitgedacht werden, dann profitieren alle – die Verbraucher*innen, die Umwelt und die Wirtschaft.
Das neue EU-Recht auf Reparatur soll helfen, eine nachhaltigere Nutzung von Geräten zu ermöglichen. Welche Herausforderungen sehen Sie in der Umsetzung?
Das Recht auf Reparatur ist ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Aber vieles ist noch schwammig definiert. Zum Beispiel soll Reparatur zu einem „angemessenen Preis“ möglich sein – doch was bedeutet das konkret? Hersteller argumentieren, dass die Lagerhaltung und Produktion von Ersatzteilen teuer ist und setzen entsprechend hohe Preise an. Denn die Bereitstellung von Ersatzteilen über einen längeren Zeitraum ist für Hersteller verpflichtend. Wenn ein Hersteller sagt, ein Ersatzteil kostet 400 Euro, weil es 15 Jahre gelagert wurde und regelmäßige Wartungen durchlaufen hat – ist das dann noch eine echte Alternative zum Neukauf? Hier müssen klare Richtlinien her, um das Gesetz wirklich wirkungsvoll zu machen. Zudem fehlen oft verbindliche Vorgaben für die Gestaltung reparierbarer Geräte. Hier muss sicher nachgebessert werden.
Was erwarten Sie für die Zukunft der Reparaturbranche?
Wir glauben, dass sich die Branche stark weiterentwickeln wird – weg von der Wegwerfgesellschaft, hin zu mehr Reparatur. Auch Refurbished-Produkte werden noch beliebter werden, und Leasing-Modelle könnten verstärkt in den Markt drängen. Zudem erwarten wir, dass der Gesetzgeber nachjustieren muss, um sicherzustellen, dass Reparaturen tatsächlich für alle zugänglich werden.
Langfristig wünschen wir uns, dass Reparaturen auf Bauteilebene als Standard etabliert werden und Hersteller ihre Elektroniken nicht mehr vergießen, sondern so gestalten, dass sie einfach reparierbar sind. Wenn sich das durchsetzt, könnten viele Geräte um Jahre länger genutzt werden – ein echter Durchbruch für die Kreislaufwirtschaft!
Mehr Infos > Repartly
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Der Beitrag Reparieren statt Wegwerfen – Wie Repartly die Kreislaufwirtschaft in Schwung bringt erschien zuerst auf Lilli Green.